Bali Board - Einzelnen Beitrag anzeigen - Touristisches "aus" für Bali ?
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Alt 14.03.2006, 11:00   #10
Flüsterer
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Flüsterer befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
Guten Tag zusammen,
jetzt will ich mich in diesem Forum auch mal melden.
Die Frage nach dem touristischen Niedergang Balis ist nicht so einfach zu beantworten, das spielen viel zu viele Faktoren eine Rolle. Natürlich hat die zweite Bombe das Problem innerhalb kürzester Zeit verschärft, aber sie ist nicht der einzige Grund für die Probleme Balis.
Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass auf Bali in den vergangen zehn Jahren gigantische Überkapazitäten aufgebaut wurden und zwar in allen Sektoren des touristischen Angebots: "Hotels, Restaurants, touristische Dienstleistungen wie Transport usw." Das bedeutet, dass vor allem die "kleinen" Anbieter zum Beipsiel von Transportdienstleistungen nur dann überleben können, wenn eine Vielzahl von Urlaubern da ist, die ihr Angebot nachfragen. Diese Dienstleister gehen jetzt auch zuerst bankrott.
Die großen Hotels überleben länger, zumal sie keineswesg 70 % Auslastung benötigen, um den break-even zu erreichen, wie Gregor vermutet. In Deutschland liegt der break-even in der Hotelerie bei etwa 50 % Zimmerauslastung, in Billiglohnländern wie Indonesien liegt er noch deutlich niedriger, ich schätze bei etwa 35 bis 40 %. Die Auslastung dürfte nach meinen Erfahrungen in den vergangenen Wochen aber eher noch niedriger sein, sodass auch hier langfristig mit Schwierigkeiten zu rechnen sein dürfte. Im Moment halten sich die Hotels ganz einfach mit Kostensenkungen über Wasser. Was das heißt, könnt ihr euch denken: Entlassungen. Wer sind also wieder die Betroffenen? Genau!

Die wichtigste Frage ist im Moment: Gibt es eine mittelfristige Chance, dass sich der Balitourismus erholt? Ich bin da ehrlich gesagt nicht so optimistisch. Wenn man mit Leuten aus der Tourismusbranche auf Bali spricht, dann gibt es im Moment vor allem ein Thema: die völlig verfehlte Tourismuspolitik Indonesiens. Während Malaysia derzeit rund 50 Mill. Dollar in eine Kampagne in Europa, USA und Australien steckt, stagniert der Etat der Indonesienwerbung bei 4 Mill. Dazu ist die indonesische Kampagen auch noch grottenschlecht!!
Malaysia positiniert sich audßerdem im Moment sehr gut bei den Reisemittlern und das ist im Fernreisesegment, wo 85 % aller Reise Pauschalreisen sind unabdingbar. Indonesien auch hier: Fehlanzeige!
Überall in Asien wächst die Tourismusindustrie, auch und gerade in den vom Tsunami betroffenen Regionen Thailand und Sri Lanka. Nur auf Bali gibt es dramatische Einbrüche. Dem könnte man nur etwas entgegensetzten, wenn man zwei Dinge auf den Weg bring:
1. Bali braucht ein eigenständiges Tourismusmarketing, ausgestattet mit dem nötigen finanziellen Polster und perfekt umgesetzt. Die Mittel dazu wird Bali weitgehend selbst aufbringen müssen (sprich die Tourismusindustrie selbst), denn eines darf man nie vergessen: Bali ist im Vergleich zum übrigen Indonesien reich, steinreich!!
2. Bali braucht eine Neuorientierung des touristischen Angebots. Klasse statt Masse, weg vom reinen Badereiseziel hin zur Wellnessdestination. Dabei könnte Bali eine Alleinstellung finden im Bereich "Ganzheitlichkeit - Versöhnung von Körper und Geist" (ähnlich wie Sri Lanka mit dem Ayurveda).

Insgesamt muss sich Bali aber sicher für die nächsten Jahre mit stagnierenden, wenn nicht gar rückläufigen Zahlen arrangieren (genaueres wird man erst Ende des Jahres sagen können, wenn die Hochsaison vorrüber ist). Wie überall gilt auch auf Bali: Monostrukturen sind schädlich! Es braucht also eine ökonomische Entwicklung, die einen sich entwickelnden Qualitätstourismus nicht behindert: Denkfabriken, Kommunikationsunternehmen, IT usw. Und dabei bitte das landwirtschaftliche Rückrat nicht vergessen. Ich habe gewisse Hoffnungen, dass die Balinesen das einsehen. Vor zwei Wochen unterhielt ich mich mit einem Balinesen in Penestanan, der gerade im joint venture mit einer australischen Kapitalgeberin ein riesiges Haus baut. Noch hat das Haus einen herrlichen, freien Blick auf die Reisfelder. Als ich meine Befürchtung äußerte, dass auch dieser freie Blick bald zugebaut sein würde, entgegnete er: "Nein, diese Felder gehören mir. Und ich brauche den Reis. Wer weiß, was aus dem Tourismus noch wird?!"
Mit dieser Einstellung könnte es gehen.
Viele Grüße
Matthias
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