Bali Board - Einzelnen Beitrag anzeigen - Vulkan bei Surabaya spuckt Wasser und Schlamm
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 03.12.2006, 03:35   #5
Tom
Routinier
 
Benutzerbild von Tom
 
Registriert seit: 16.11.2005
Beiträge: 379
Tom befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
Hi zusammen,

ich habe da doch hier schon mal woanders darüber berichtet (vor ein paar Monaten)

Okay -es gibt mittlerweile stündlich neues zu berichten - vieles stimmt nicht unbedingt - das mag an der Qualität der journalistischen Arbeit hier liegen.

Letzte Woche hat PT Lapindo Brantas versucht Aktienteile an die PT Freeport (gegen die wird ständig in Papua demonstriert, es gibt häufig Verletzte und Tode und angeblichh ist PT Freeport für einige Umweltsünden zuständig) zu verkaufen. Wenn dieser Verkauf über die Bühne gegangen wäre, dann wäre PT Lapindo Brantas fein raus gewesen, denn dann hätten sie nichts zahlen müssen! Aber das wurde verhindert. Übrigens: PT Lapindo Brantas gehört der Familie eines Ministers.

Wegen der Zahlungen: PT Lapindo Brantas hat vielen Hauseigentümer ein Angebot gemacht zunächst die Mietkosten für ein Jahr zu tragen und hier eine Kostenübernahme von 5 Millionen pro Jahr gemacht (was man natürlich komplett vergessen kann, denn für 5 Millionen pro Jahr gibt es der Region keine "bewohnbaren" Häuser mehr zu mieten, da müsste man schon auf das Land).

Zum Mud Vulcano (Schlammvulkan), wie es ca. 700 weltweit gibt, davon ca. 300 aktiv: er ist seit Ende Mai aktiv (da bin ich an ihm vorbeigefahren und habe gefragt was das ölig schimmerende Wasser neben der TOL-Strasse denn da macht). Hat am Anfang ca 50,000 m³ täglich ausgeworfen und seit August ist das dann fast konstant auf 150,000 m³ gestiegen.
Anfang November war ich selbst vor Ort (ist von Surabaya aus eine gute halbe Stunde bis 45 Minuten zu fahren) und durfte, dank der Tatsache, dass unser Fahrer - mein Schwiegervater - für die TOL-Betreiber - Firma freiberuflich arbeitet und viele Leute dort gut kennt, auch mit vorausfahrenden Polizeifahrzeug auf den Damm rauf, an Stellen wo andere nicht hindurften. Mein Eindruck: es richt nicht so stark wie immer geschrieben wird, aber die Geruchsentwicklung soll offenbar tagesabhängig sein. Und: den Schlammsee zu sehen ist schon beeindruckend. Im ersten Augenblick meint man, jo, da kann man ja drüber gehen, aber dann mal kurz einen Stein reinwerfen und zusehen wie schnell der im Schlamm verschwunden ist, dann lieber nicht darüber wandern. Mich hat das ganze sehr stark an bestimmte Stellen in Karl May's "Durch die Wüste" erinnert, wer das Buch kennt, weiß was ich meine
Fotos: bekomme ich demnächst. Gudio, der dabei war hat über 100 Fotos von der Gegend gemacht. Er brennt die auf CD und schickt sie mir aus Jakarta zu.

Vorletzte Woche, genau am 22. November 2006 kam es in den Abendstunden zu einer Gasleitungsexplosition direkt neben einen Damm, direkt an der TOL-Strasse. Einige Fahrzeuge wurden unter Schlamm vergraben, mehr als 10 Menschen starben, viel kamen mit schweren Verbrennung in Krankenhäusern. Bei der Explosion soll es zu einer 500 Meter hohen Flamme gekommen sein, die Hitzeentwicklung der Explosion war noch in kilometerweiten Ortschaften zu spüren. Viele Freunde meines Schwiegervaters sind dabei ums Leben gekommen, einer meiner Studenten (Polizei-Offizier) trauert auch um einen Kollegen, der dabei verunglückt ist. Die Tolstrasse ist seitdem komplett gesperrt, was zu erheblichen Staus und Verspätung führt, wenn man von Surabaya nach Bali oder in Richtung Malang will. Eine Dozentenkollegin von mir braucht zeitweilig 5 Stunden um von Lawang (nördlich von Malang) nach Surabaya zu kommen, früher waren es 90 Minuten. Die Tolstrasse soll, so scheint es, nun um ca 3 bis 5 Meter im betroffenen Abschnitt angehoben werden. Daran wird sehr intensiv gearbeitet. Dann wäre die Strasse in etwa auf dem Niveau des Dammes und würde diesen gar verstärken.
Seit 23. November 2006 hat der Präsident im Gebiet um den Vulkan besondere Rechte ausgegeben, seitdem darf man nur noch mit Erlaubnisschreiben der Polizei auf den Damm. Vieles wurde sehr streng abgesperrt. Zeitweilig war der Vulkan eine touristische Sehenswürdigkeit.

Hier in Surabaya sagen viele auch "Kuala Lumpur di Indonesia" Kuala heißt ja soviel wie Mündung und Lumpur soviel wie Schlamm, Schlick. Also quasi die Schlammmündung. Naja, es werden ja täglich Unmengen von Wasser und teilweise auch Schlamm in den Porong-River eingeleidet, und der bringt es direkt ins Meer. Täglich kommen weitere Pumpen dazu. Man fürchtet sehr den richtigen Beginn der Regenzeit. Bisher hat es hier in Surabaya dreimal in dieser Regenzeit geregnet. Beim ersten Mal letzte Woche so heftig, das Surabaya ca. 2 1/2 Stunden ohne Strom war. Strom, Elektrizität ist auch ein Thema, dass durch Lumpur an die Tagesordnung gekommen ist. Durch den Ausfall der Gasleitung, welche u.a. nach Gresik zu einem Gas-Kraftwerk der PLN (einen der beiden indonesischen Stromversoger) führte, produziert das Kraftwerk in Gresik kaum mehr Strom. Das hat Auswirkungen auf Ostjava und auch auf Bali (Bali - da man sich dort immer wieder erfolgreich gegen eigene Kratfwerke geweigert hat und lieber den Strom von Java bezieht). Es kommt zur Zeit täglich in bestimten Gebieten zur Stromabschaltung in den Abendstunden und auch ab und an in den Morgenstunden, dann wenn der Strombedarf eben zu hoch wird.

Wissenschaftler: sie sagen sehr, sehr viel - einige gar zu viel. Wie lange der Vulkan aktiv sein wird, das kann keiner sagen - das sind alles nur Spekulationen. Wenn man dann aber ein wenig im Internet liest, dass zum Beispiel in Nicaragua ein ähnlicher Vulkan in einem unbesiedelten Gebiet nach zwei Jahren einen kleine Berg von ca. 250 Meter entstehen ließ, dann kann man sich vorstellen, was sich hier noch alles ereignen kann. Derzeitiger Stand ist, dass die Dämme, die den Schlamm zurückhalten bereits stellenweise 20 Meter hoch sind.
Viele Wissenschaftler sehen als Ursache die Erdbebenaktivität in Jogjakarta und an der Südküste als eine Ursache, aber man geht auch davon aus, dass die gestiegenen Aktivitäten des Mount Semeru (höchster Berg auf Java mit über 3600 Meter) auch dazu beigetragen haben, zumal er in Sichtweite des Schlammvulkanes zu finden ist. Der Mount Semeru ist seit Anfang 2000 alle 15 Minuten mit einer kleinen Rauchwolke einer der aktivsten Vulkane auf Java. Im April bis Juni soll er ein wenig aktiver gewesen sein und es soll auch zu Staubregen gekommen sein.

Im Südostasienportal versuchen wir viele Nachrichten über den Schlammvulkan einzustellen, wer will kann es hier ja nachverfolgen: http://www.suedostasienportal.de/thr...did=11542&sid=


Nochwas: von der deutschen Alumni hier in Surabaya arbeiten zwei Mitglieder vor Ort und einer hat Anfang November verlauten lassen, dass zum ersten Mal Spuren von Öl im Schlamm gefunden worden sind, angeblich ist es jetzt aber wieder sauber. Wollen wir das hoffen, denn ansonsten wäre das wirklich eine Umweltkatastrophe.

Bei Fragen: stellt sie einfach!

Gruß aus Surabaya

Tom
Tom jest offline   Mit Zitat antworten